Kapitel 11 – Schulterschluss mit den Eiswettgenossen / Die Ära Scherf (1995 -2005)

Erste Einladung 1996

Scherf hatte als designierter Bürgermeister „unentwegt für dieses Modell (Die Große Koalition – d. Verf.) getrommelt“[1] Er schaffte, was keinem Bürgermeister vor ihm gelungen war: in seiner Regierungszeit auf (fast) jeder Eiswette anwesend zu sein (neun von zehn). Das war nicht vorauszusehen, denn noch als Senator, berichtet sein Biograf, hatte er sich damit „gebrüstet“, niemals Gast der „Eiswette“ gewesen zu sein“.[2] Als Bürgermeister der Großen Koalition nahm er die erste Einladung für den 15. Januar 1996 an. Die Veranstaltung fand in einem neuen Rahmen statt. Die Glocke wurde renoviert und man zog – für immer – in den Hanse-Saal des Congress Centrums auf der Bürgerweide, den größten Festsaal der Stadt. Die Zeit der „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in der Glocke, als ein Teil der Gäste an kleinen, eckigen Tischen auf dem Rang sitzen musste, war vorbei. Nun wurden alle 705 Teilnehmer an 47 runden Tischen, den „Eisschollen“, in einem Rund platziert, was dem Ganzen eine noch größere Festlichkeit verlieh.

[1] Norbert Holst, „Kommentar über eine Große Koalition in Bremen. Weser-Kurier 26. 03.2019
[2] Volker Mauersberger, Henning Scherf, Zwischen Macht und Moral – eine politische Biographie, Bremen 2007, S.190.
 

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Anordnung von 47 nummerierten „Eisschollen“-Tischen im Hanse-Saal.
Die Zusammenstellung der Gäste an den einzelnen Tischen obliegt dem Präsidium.

Auch „medientechnisch – „geradezu High Tech“ wurde den Teilnehmern etwas geboten. Während auf der Bühne der Glocke jahrelang nur das Modell eines „Seenotkreuzers“ gestanden hatte, „wirkte der auf Großbildleinwand gezeigte Film über die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wie eine multimediale Revolution.“[1] Natürlich wurde wieder ein neuer Spendenrekord erzielt: 214.000 DM statt der 211000 DM im Vorjahr. Zur Feier der ersten Eiswette im Rahmen der Koalition mit der CDU waren sämtliche männliche Mitglieder der Landesregierung anwesend; vier von der CDU: Ralf Borttscheller, Sohn des legendären Präsidenten, seit 1984 Eiswettgenosse, Ulrich Nölle, Bernt Schulte, Harmut Perschau und Uwe Beckmeyer von der SPD. Eine besondere Würdigung der neuen Landesregierung fand auf der Feier, den Zeitungsberichten zufolge, nicht statt.

[1] Kurier am Sonntag 21.01.1996.

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In seiner Gästerede ging Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von Sachsen, launig auf die Unterschiede zwischen Bremen und Sachsen ein: „Die Sachsen haben sich dazu entschieden, entweder richtig rot oder richtig schwarz zu sein.“[1] Die Feier verlief ohne besondere Vorkommnisse. Allerdings gab es „am Rande des Eiswettessens“ eine bemerkenswerte Erklärung von Bürgermeister Scherf zur Bremer Vulkanwerft, über die der „Kurier am Sonntag“ im Zusammenhang mit der Eiswette berichtete. Der Wirtschaftsdienst Platow-Brief hatte über einen unmittelbar bevorstehenden Konkurs der Bremer Vulkan Verbund AG berichtet. Eine finanzielle Bestandsaufnahme habe ein so schlechtes Ergebnis gebracht, „dass eine Rettung des Unternehmens kaum mehr möglich“ erscheine. Darauf angesprochen, sagte Scherf der Deutschen Presseagentur (dpa): „Alles Quatsch, da will nur jemand Bremen schaden! (…) „Die kurzfristigen Liquiditätsprobleme“ seien „gelöst.“ „Die bisher von der Verbund AG allein aufzubringende dreistellige Millionensumme für die Ost-Werften „werde auf andere Weise organisiert als bisher.“ „Erläuterungen dazu gab er nicht.“ [2] 

Kurier am Sonntag 21.1.1996

Bekanntlich stellte die Konzernleitung am 21. Februar einen Vergleichsantrag beim Amtsgericht, um einer Konkursverschleppung zu begegnen. Am 1. Mai erfolgte der Anschlusskonkurs für die Konzernzentrale in Bremen und drei Tochtergesellschaften. Im August 1997 wurde die Werft stillgelegt. [3]

[1] Weser-Kurier 22.01.1996.
[2] Kurier am Sonntag 21.01.1996.
[3] Vgl. Stichwort Bremer Vulkan. In. Wikipedia 26.9.2019.

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Die Eiswette 1999 / US-Botschafter als Ehrengast / Sissi Perlinger ausgebuht

Die Eiswettgenossen hatten noch ein Versäumnis gutzumachen, nachdem sie 1991 den eingeladenen Botschafter der USA nicht auf ihrer Feier empfangen konnten. Präsident Kloess hatte die Feier abgesagt, aus Sorge, die Sicherheit der Gäste nicht gewährleisten zu können.[1] Botschafter war damals Vernon Walters (1989 bis 1991) gewesen, Befürworter aller US-Militärinterventionen, der den Vietnam-Krieg „einen der nobelsten und selbstlosesten Kriege“ genannt hatte.[2]Unmittelbar nach Kriegsbeginn am 17. Januar hatte es zahlreiche „Friedensaktionen“ auf den Straßen der Stadt gegeben, die sich vornehmlich an die Adresse der Vereinigten Staaten richteten. Unter den Demonstranten waren auch „ganze Abteilungen senatorischer Behörden mit ihrenRessortchefs Henning Scherf und Sabine Uhl an der Spitze“, die den Bahnhofsbereich lahmlegten.[3] Nun war US-Botschafter John C. Kornblum Hauptredner auf der Eiswette. Nur kurz schnitt er Probleme an, die „an der Schwelle zum dritten Jahrtausend“ zu lösen wären, zum Beispiel: „Wie gehen wir mit Konflikten innerhalb eines Landes (Bosnien, Kosovo, Ruanda) um?“ Die Zeiten hatten sich geändert. Der Golfkrieg war vorbei, aber seine Folgen noch lange nicht, wie der Botschafter selbst bemerkte: „Der Irak widersetzt sich weiterhin den USA.“ [4] Kornblums Aufenthalt in Bremen ging ohne jede Störung vonstatten, und sein Auftritt im Congress Centrum verlief in großer Harmonie.

Aber der Bürgermeister wurde doch noch Zeuge einer unliebsamen Begebenheit, die wohl niemand mehr zehn Jahre nach dem Scheibner-Skandal erwartet hätte: Ein Sturm der Entrüstung war über die Kabarettistin und Performance-Künstlerin Sissi Perlinger hereingebrochen. Sie hatte auf ihrer mehrjährigen Deutschland-Tournee schon zweimal in Bremen gastiert, bevor sie vom Präsidium für den kulturellen Teil der Veranstaltung eingeladen worden war. Die Eiswettgenossen waren von ihrer „Ein-Frau-Show“ völlig überfordert. Sie setzten der Künstlerin mit wütenden „Buhs!“ und „Aufhören!“- Rufen so zu, dass sie die Vorstellung unterbrechen musste. Tapfer erklärte sie den aufgebrachten Herren in Frack und Smoking von der Bühne, dass man sie für ihre Schau engagiert und bezahlt hätte und dass sie ihr Programm, ungeachtet der Missfallenskundgebungen, auf jeden Fall in der vorgesehenen Form und Länge fortsetzen würde.[5]

[1] Vgl. Kapitel „1991 – Die Golfkrieg-Eiswette“
[2] Spiegel-online 24.04.1989.
[3] Weser-Kurier 19.1.1991. Scherf war Senator für Bildung und Wissenschaft, Sabine Uhl Senatorin für Jugend und Soziales.
[4] Zitate aus: Weser-Kurier 17.1.1999.
[5] Vgl. Bericht im Weser-Kurier 18.1.1999.

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So geschah es. Mut und Charme der Künstlerin konnten die Herren nicht erweichen – im Gegenteil: ihre weiteren Darbietungen quittierten sie mit eisigem Schweigen und – man mag es kaum glauben – etliche kehrten ihr nun ostentativ den Rücken zu. Welche Ungeheuerlichkeiten hatten den geballten Zorn der Eiswettgenossen hervorgerufen? Heinz Holtgrefe gab den Lesern des Weser-Kurier eine nicht sehr überzeugende Erklärung: „Die umgangssprachliche Benennung von Geschlechtsteilen, und was man mit ihnen anfangen kann, ging selbst Gästen zu weit, die sonst herzhaft über derbe Scherze lachten.“[1] Diese „derben Scherze“ waren oft Zoten, wie in den Berichten von Holtgrefe zu erfahren war. Das war also allgemein bekannt. Es ging dabei vor allem darum, die Eiswettgenossen in Spendierlaune zu versetzten.[2] Was Perlinger gemacht hatte, war nichts anderes, als die in ihrer Machart bekannten anzüglichen Witze „mal andersherum“ zu erzählen und den Männern damit „den Spiegel vorzuhalten“.[3] Genau das hatte Senatorin Anja Stahmann im Sinn, als sie während der ersten von zwei Bürgerschaftsdebatten über Frauen auf Schaffermahl und Eiswette gesagt hatte: „Bei der Eiswette gibt es auch Männer, die sich rühmen, besonders frauenfeindliche Witze zu äußern und dafür Beifall oder Gelächter kassieren. Auch das überstehen wir im Jahr 2013. Wir können auch Gegenwitze erzählen. Auch das wäre kein Hinderungsgrund dafür, dass man Frauen einladen sollte.“[4] Perlingers Programm hätte eines selbstironischen gestandenen Männerpublikums bedurft, und genau das hatte sie nicht vorgefunden. Ihr Auftritt wurde am gleichen Abend vor den Eiswette-Damen im Parkhotel bejubelt.[5] Die Erfahrung mit den Eiswettgenossen hat Perlinger inzwischen aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

Der Eklat von 2019, als die Eiswettgenossen der Bürgermeisterin Karoline Linnert den Zugang für den verhinderten Präsidenten des Senats, Carsten Sieling, verwehrten, hat inzwischen zur Aufhebung des Frauentabus geführt. Die „Fallhöhe“ dieses Entschlusses wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, welcher Art frauendiskriminierender „Witze“ auf der Eiswette möglich waren.

[1] Weser-Kurier vom 18.1.1999. Das Programm der Künstlerin war leider nicht aufzufinden. Ihre erfolgreichen Auftritte als Performance-Künstlerin hat sie bis heute – auch in Bremen – fortgesetzt.
[2] Zum Beispiel im Weser-Kurier vom 22.01.2001: „Schatzmeister Ulrich Demeler griff bei seinem Plädoyer für möglichst großzügige Spenden ganz tief (! – d. Verf.) in die Zotenkiste.“
[3] So der Redakteur Karl-Henry Lahmann in einem Kommentar von buten und binnen zu dem Vorfall von 1999 am 18. Januar 2019 (anlässlich der Ausladung von Karoline Linnert).
[4] Bremische Bürgerschaft Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18/753 vom 4.02.1913, S.2617. Stahmann war Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport. Die zweite Debatte fand am 28. März 2019 statt. Vgl. Bremische Bürgerschaft Landtag 19. Wahlperiode Plenarprotokoll.
[5] Vgl. Karl-Henry Lahmann, a.a.O.

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Im Redemanuskript eines Präsidiumsmitglieds für die Eiswette 2011finden sich drei davon. Hier einer als Beispiel: „Herr Bürgermeister (Böhrnsen), kommen wir noch mal zu Ihnen zurück. Der Ton zwischen Ihnen und Karoline Linnert wird ja nun im Wahlkampf auch rauer werde. „Du, Jens, am 22. Mai, da ist doch Bürgerschaftswahl. Und es kommt doch heute bei den Wahlen immer mehr auf die Optik an. Ja, und deswegen. Ich hab’s jetzt mal ausprobiert. Ich war auf einer Schönheitsfarm!“ „Und … warum bist du nicht rangekommen?“[1]  

Vom Saulus zum Paulus / Scherfs Rede auf der Eiswette 2000

Lange Jahre war Scherf der ärgste politische Gegner der Kaufleute und ihr liebstes Spottobjekt gewesen. Im Januar 1979, als er gerade drei Monate im Amt des Finanzsenators war, erntete das Eiswettspiel den „unbestritten meisten Beifall“ mit einem „deftigen“ satirischen Beitrag über ihn, der „so recht nach dem Geschmack der meisten im Saal (war)“.[2] Die Feindseligkeiten waren von beiden Seiten über viele Jahre gepflegt worden. Anlässe bot der Senator genügend. Berühmt wurde seine Aussage vom Juli 1979 als er von einem politischen „Albtraum“ sprach, von einer „Gang“ an der Staatsspitze aus dem Dreigestirn Carstens (Bundespräsident), Stücklen (Bundestagspräsident) und Strauß als Kanzler[3]. Man nahm ihm in den konservativen Eiswett-Kreisen naturgemäß noch mehr als in seiner eigenen Partei übel, dass er 1980 als Jugendsenator während der Demonstration gegen das feierliche Rekrutengelöbnis im Weserstadion, das er in dieser Form ablehnte, erschienen war, angeblich um zwischen den Demonstranten und der Polizei zu vermitteln. 1981 hatte er sich gegen die „Nachrüstung“ der Bundeswehr mit Pershing 2 Raketen ausgesprochen.[4] Ende 1983  war er zwei Wochen in Nicaragua, wo er – zur Unterstützung der sandinistischen Befreiungsbewegung – symbolisch und praktisch an der Kaffeeernte teilnahm.[5] Bei seiner Rückkehr warf ihm der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Peter Kudella vor, mit seinem Engagement für das links-revolutionäre Nicaragua Unternehmen von Investitionen in Bremen abzuhalten.

[1] Aus dem Redemanuskript des „Notarius Publicus“ und Schriftführers Jan-Martin Zimmermann, das er dem Weser-Kurier einen Tag vor der Eiswette am 15.1.2011 zusandte.
[2] Weser-Kurier vom 22.1.1979.
[3] „…als ob der Staat dann an eine Gang abgetreten ist.“ Interview in den Bremer Nachrichten am 24. Juli 1979, zitiert bei Volker Mauersberger, a.a.O., S.171.
[4] A.a.O., S.164.
[5] A.a.O., S.178/179.

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„Falls dieser Senator (für Soziales, Jugend und Sport – d. Verf.) seinen Schreibtisch räumen würde, wäre das so viel wert wie eine Senkung der Gewerbesteuer um 200 Punkte (200 Millionen DM)“.[1] Scherf stand in dem Ruf „nicht nur ein überzeugter Linker, sondern ein Mann der flotten Sprüche und unbeherrschten Zitate, spontan und unkontrollierbar zu sein.“[2] Für die CDU in Bremen wurde er der „gefährlichste Linksaußen der Stadt“, ein  „Bürgerschreck“[3], das „rote Tuch.“[4] Als Koschnick 1981 durch den Kakao gezogen wurde, „traf das weniger den Geschmack der Zuhörer“, wie die Lokalpresse berichtete, während die Versammlung  im nächsten Augenblick sehr wohl bereit war, mit Beifall nicht zurückzuhalten, wenn es „um den in ihren  Kreisen offensichtlich weniger beliebten Sozialsenator Henning Scherf ging.“[5] Im Januar 1995 nannte ihn Ralf Borttscheller, Mitglied des Eiswette-Präsidiums und CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, auf der Feier „Bremens Naturkatastrophe“, weil er „Schäden in Millionenhöhe angerichtet (hätte).“[6] Die Zitate erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, geben aber einen Eindruck davon, wie die Eiswette zum Politiker Scherf noch ein halbes Jahr vor der Großen Koalition stand (in der Ralf Borttscheller dann Innensenator wurde). Mit dem Eintritt der CDU in die Landesregierung und Scherfs regelmäßigen Teilnahmen an den Eiswetten, begann etwas, für das Bernd Neumann, seit 1979 Bremer CDU-Landesvorsitzender und einer der  schärfsten politischen Gegner Scherfs[7], ein geeigneter Zeuge gewesen sein dürfte. Neumann hatte Scherf zu Beginn der Großen Koalition „zunächst für eine Hypothek“ gehalten. Aber er revidierte sehr bald sein Urteil, weil er meinte, bei Scherf eine „Wandlung“ ausgemacht zu haben. Er nannte es im Rückblick „Scherfs zweite Biografie.“[8] Hartmut Perschau, damals CDU-Bürgermeister, mit dem Scherf nach eigener Aussage „die Große Koalition gestaltet“ hatte,[9] sprach in seiner Festrede zu Scherfs 60. Geburtstag 1998 – wohl auch in Anspielung auf Scherfs Amt als Kirchensenator – von dessen „Wandlung vom Saulus zum Paulus“.[10]

[1] A.a.O., S.180.
[2] A.a.O., S. 190
[3] A.a.O., S.175.
[4] A.a.O., S.173
[5] Weser-Kurier vom 19.1.1981.
[6] Weser-Kurier vom 23.1.1995.
[7] Vgl. Mauersberger, a.a.O., S.173 und passim.
[8] Alle Zitate a.a.O., S.260.
[9] Scherf in der Gästerede am 15.1.2000. Dem Verfasser liegt das wörtliche Transkript der Rede im Original vor.
[10] Mauersberger, a.a.O., S.267.

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Die erste Periode der Großen Koalition war zur großen Zufriedenheit aller beteiligten Politiker verlaufen. Scherfs Popularitätswerte lagen vor den Wahlen vom 6. Juni 1999 deutlich über denen der Schröder-Regierung. Das Wahlergebnis der SPD lag mit 42,6 Prozent weit über dem Bundestrend der Partei und zehn Prozent über dem der letzten Bürgerschaftswahl. Obwohl eine Koalition mit den Grünen möglich gewesen wäre (57 Abgeordnete von 100), war es für Scherf keine Frage, die Koalition mit der CDU fortzusetzen. Am 7. Juli kam es zur Neuauflage der Großen Koalition. Die Eiswettgenossen Ralf Borttscheller (Inneres) und Josef Hattig (Wirtschaft) saßen schon seit 1995, bzw. seit 1997 für die CDU auf der Regierungsbank. Auch Hartmut Perschau, Scherfs Vertrauter in der CDU, war in jenen Jahren regelmäßiger Gast auf der Eiswette. Einem Auftritt des Bürgermeisters auf der nächsten Eiswette, am 15. Januar 2000, stand von Seiten der Eiswettgenossen nichts mehr im Wege. Immerhin würde es die erste Rede eines Bremer Bürgermeisters seit fast zwanzig Jahren sein, als Koschnick zur Entspannungspolitik der sozialliberalen Regierung gesprochen hatte.[1] Zum 15. Januar 2000 hielt Henning Scherf die Gästerede auf der Eiswette. Vorweggenommen sei, dass es ihm gelang, die Herzen der Versammlungsteilnehmer im Sturm zu erobern, als er seine vorbehaltlose Begeisterung für die Eiswette und ihre Genossen im Allgemeinen und für die Teilnahme der Kaufleute an seiner Regierung im Besonderen zum Ausdruck brachte. Als „Deutschland-Redner“ war ihm Arnulf Baring zur Seite gestellt, einer der konservativsten Publizisten und Historiker des Landes[2]. Diese Kombination wird nicht ohne Hintersinn gewesen sein, aber die Feier nahm einen Verlauf, der die Erwartungen der meisten Festteilnehmer „mit Sicherheit“ übertroffen haben dürfte, wie Eiswett-Reporter Holtgrefe im Weser-Kurier schrieb.[3] Das galt nicht für Baring, der die Veranstaltung auf den gewohnt nationalen Kurs brachte, als er den wenig ausgeprägten Nationalstolz der Deutschen  beklagte und dafür begeisterten Applaus erhielt.[4] Das galt noch mehr für Scherfs Rede,   in dessen Mittelpunkt alles stand, was den bremischen Unternehmern lieb und teuer war: die Bremer Lagerhaus Gesellschaft, die „Hütte“, die „Daimler-Leute“, Airbus, der Flughafen und der Container-Terminal in Bremerhaven.

[1] Bei seiner zweien Gästerede 1990 war er schon fünf Jahre nicht mehr im Amt. Er war damals lediglich für den kurzfristig absagenden Bundessozialminister Norbert Blüm eingesprungen. Vgl. Weser-Kurier vom 22.1.1990.
[2] Vgl. seinen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.1.2002 „Bürger auf die Barrikaden! Deutschland auf dem Weg zu einer westlichen DDR.“
[3] Weser-Kurier vom 17.1.2000.
[4] A.a.O.

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Der Bürgermeister zog ein vorläufiges Fazit seiner Regierungsarbeit: „Es gibt seit diesen viereinhalb Jahren eine wirklich nicht abreißende Kette von konstruktiven Entscheidungen, an denen ich, aber auch die ganz große Mehrheit hier im Lande sich orientiert und sagt: Das ist es!“[1] . Bei der BLG, so der Redner, lag die Erfolgsbasis bei der Privatisierung und bei dem, was die Unternehmer daraus gemacht haben. („Wir geben das Risiko des Marktes voll in die Hände der Unternehmer. Wir halten uns als Stadt da heraus, wollen da keine VEB von machen.“); bei der „Hütte“ waren es beide Seiten („Wir haben den richtigen Verbündeten gefunden mit ARBED.“); bei Daimler „die tollen Daimler-Leute“ mit ihrer 3 Milliarden-Investition. („Da kommt keiner gegen an, und das ist toll so, und ich danke Ihnen allen hierfür, dass Sie so toll und so gut für das Land zusammengearbeitet haben.“); bei Airbus war es die europäische Fusion mit den Franzosen und Engländern; beim Flughafen „richtig gute Architektur“ eines Bremer Architekten. Welchen Anteil der Bürgermeister selbst am Erfolg der von ihm aufgezählten Unternehmen und Wirtschaftsprojekte hatte, schien ihm an diesem Abend letztlich unwichtig. Entscheidend war, dass er einen Wandel  in der Politik der Stadt angestrebt und seiner Überzeugung nach auch erreicht hatte: „Dieses Land, diese Freie Hansestadt brauchte das, sie brauchte dieses entschlossene Zusammengehen, dieses Beenden von Schuldzuweisungen, ohne etwas zu bewegen, dieses immer wieder neue Gräben ausheben, immer neue Diffamierungen ausdenken.“ Die zukünftige Aufgabe der Landesregierung beschrieb er so: „Wir wollen gerade nach diesen ersten guten vier Jahren weitere gute vier Jahre hinlegen.“ Für eine Bilanz schien es zwar noch zu früh, aber so viel konnte Scherf schon sagen: „Ich habe den Eindruck, wir sind seit ungefähr viereinhalb Jahren in einem neuen Abschnitt dieser 1200jährigen Geschichte dieser Freien Hansestadt.“

[1] Dieses Zitat und alle folgenden sind Scherfs Rede auf der Eiswette am 15.1.2000 entnommen.

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Eiswette-Menü 2000

Das „Hollerland“

Zwei Themen aus der Rede verursachten große politische Aufregung. Die beiden Projekte, um die es dabei ging, sind in zwischen zu einem Ende gekommen, wenn auch auf völlig unterschiedliche Weise. Das erste war die seinerzeit in Bremen umstrittene Frage, ob das „Hollerland“ als ökologisch wertvolles „FFH“-Gebiet  (Fauna-Flora-Habitat) bei der Europäischen Union zum Schutz angemeldet werden sollte, wofür die Mehrheit der SPD-Mitglieder und die Grünen waren, oder ob es der Nutzung eines zukünftigen „Technologie-Parks“ zugeführt werden sollte, wofür die CDU in der Koalitionsregierung plädierte. Scherf unterstützte die zweite Lösung mit folgenden Worten: „… hier gehen Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum v o r (Sperrung im Text – d. Verf.) Froschkultur. Ja, wie heißen sie, Schlammpeitzger, das ist die neueste Erfindung unserer Öko-Leute. Die erfinden ständig neue schützenswerte Tiere. – Nein, nein!“[1]

[1] Hollerland-Aktivist Gerold Janssen von den Grünen zitierte Scherf mit den Worten: „Sobald einer käme, um im Hollerland eine Milliarde zu investieren, wäre seine Entscheidung gefallen.“ Gerold Janssen, „Hier weiht de Wind“ – „Hände weg vom Hollerland!“ Erinnerungen eines Rebellen (1923-2006), Bremen, 2007, S.70.

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Es ging tatsächlich um einen Fisch mit diesem lustigen Namen, aber natürlich auch um zahlreiche weitere Tiere und Pflanzen.[1] Die erfolgreiche Geschichte der Abwehr dieser Bebauung ist ausführlich erzählt worden.[2] Am 6. Februar, also drei Wochen später, erschien im CDU-nahen Weser-Report eine „Dokumentation“, in der wörtliche Teile der Scherf-Rede auf der Eiswette in Auszügen abgedruckt waren.[3] Der Titel des Artikels lautete: „Schlammpeitzger auffressen“. Wie erhofft, befeuerte dieser Artikel die Debatte in Bremen. Die Sache eilte sehr, denn die Europäische Kommission hatte  die Anmeldung des Gebietes als FFH-Habitat bis Ende Dezember 1999 gefordert und Scherf hatte den gesetzten Termin verstreichen lassen, weil er entschlossen war, die Anmeldung nicht vorzunehmen.[4] Inzwischen hatte aber der SPD-Landesvorstand, im Gegensatz zur Großen Koalition, für die Anmeldung plädiert. Der Weser-Report hatte daraufhin Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller, einen Befürworter des Technologie-Parks in der Zeitung zu Worte kommen lassen. Nun erhoffte man sich von Scherfs Beitrag eine entscheidende Unterstützung des Plans.[5] Der Bürgermeister konnte sich aus dieser Zwickmühle nicht befreien. Seine Partei, in dieser Sache angeführt von Christian Weber, der bis Juli 1999 Fraktionsvorsitzender der SPD und von da ab Präsident der Bremischen Bürgerschaft war, versagte ihm in dieser Angelegenheit die Gefolgschaft[6] so dass der Senat der Großen Koalition schließlich gezwungen war, das „Hollerland“ doch nach Brüssel zu melden.[7]

[1] Vgl. Gerold Janssen, a.a.O., S.356.
[2] A.a.O.
[3] Weser-Report vom 6.2.2000.
[4] Am 28. März 2000 hatte die Landesregierung formell entschieden, das Hollerland nicht anzumelden. Vgl. Janssen, a.a.O., S.355.
[5] Dass die Veröffentlichung im Weser-Report in diese Richtung zielte, geht aus dem Vorspann des Textes hervor, in dem der einige Tage vorher erfolgte Beschluss des SPD-Landesvorstandes genannt wird, der sich für die Anmeldung des Hollerlandes als FFH-Gebiet ausgesprochen hatte und die widersprechende öffentliche Stellungnahme des Ex-Wirtschaftsstaatsrats in eben dieser Zeitung. A.a.O. 
[6] Vgl. die Berichterstattung im Weser-Kurier vom 11.6. und vom 18.6.1999.
[7] „Im Dezember 2004 ging schließlich nichts mehr bzw. war es soweit: Der Senat meldete das Hollerland und weitere Gebiete entsprechend der Fauna-Flora-Habitat-Listen nach Brüssel.“ Gerold Janssen, a.a.O., S.357.

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Weser-Report 6. Februar 2000

Der Container-Terminal IV in Weddewarden                                          

Das zweite Projekt war der Ausbau des Container-Terminals Bremerhaven, der seit 1968 in drei Ausbaustufen entstanden war und für den die Landesregierung nun eine vierte plante. Problematisch war, dass die Kaje dem zu Bremerhaven gehörenden 671-Seelen-Dorf Weddewarden immer bedrohlicher näher rückte. Scherf sagte auf der Eiswette: „Wir wollen auch in Weddewarden Klartext sprechen, wir wollen in Weddewarden den Container-Terminal IV realisieren, weil davon die Freie Hansestadt lebt! Wir können doch nicht „Navigare necesse est“ singen, und anschießend kneifen wir, weil ein paar Leute mit ihrer Bauernwirtschaft – die machen ja gar keine Bauernwirtschaft mehr – mit ihren Ferienhäusern Seeblick fordern, gegen Wirtschaftswachstum. Kommt nicht infrage!“[1] Die Weddewardener hatten von den sie betreffenden Teilen der Rede durch die Veröffentlichung im Weser Report erfahren und Scherf am 7. April in einem Offenen Brief geschrieben, „dass sie es für skandalös empfinden“ wie der Bürgermeister „mit den Existenzängsten der Bewohner eines Stadtteils“ umgeht. Sie forderten ihn auf, ihnen „ehrlich und ohne Umschweife zu erklären, wann Sie beabsichtigen unser Dorf platt zu machen und zu welchem Zeitpunkt Sie glauben, uns aus unseren Häusern vertreiben zu müssen.“

[1] Scherf-Rede am 15.1.2000, a.a.O.

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Sie hätten als Betroffene „zuletzt von Veränderungen erfahren, die sie angehen.“[1] Fünf Tage später luden Sie Scherf ein, „an Ort und Stelle entweder Ihre (Vor-) Urteile über Weddewarden zu erklären oder anhand örtlicher Anschauung und durch die Bürgergemeinschaft Weddewarden die wahren Gegebenheiten im Norden Bremerhavens zur Kenntnis zu nehmen.“[2] Besonders erbittert hatte sie Scherfs Aussage, dass „ein paar Leute (…) mit ihren Ferienhäusern Seeblick fordern“, denn in Weddewarden sind alle Häuser von Ortsansässigen bewohnt und das zum Teil schon seit Generationen. Erst 1991 hatte Weddewarden sein 900jährige Bestehen gefeiert.[3]Auch mit seiner Behauptung, dass es keine Bauernwirtschaft mehr am Ort gäbe, lag der Bürgermeister falsch. Zwei landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe bestanden (und bestehen noch heute). Es dauerte noch fast fünf Monate, bis Scherf am 28. August auf der Einwohnerversammlung von Weddewarden erschien. Es wurde ein sehr ungemütlicher Abend für ihn. Die ca. 300 Teilnehmerbereiteten ihrem Bürgermeister „einen eiskalten Empfang“, wie die Nordsee-Zeitung berichtete.[4] Dort hieß es weiter, dass sich in ihren Gesichtern „vielfach Wut und Trauer“ spiegelte, während Scherf „den Abend über mit versteinerter Miene“ dasaß. [5] „Unter erbittertem Gelächter“, berichtete das Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung, erläuterte Scherf, „er habe bei der Eiswette in freier Rede die 900 Gäste (sic!) bei Laune halten wollen.“ Dabei sei er allerdings, so wörtlich, „weit über das Ziel hinausgeschossen.“[6]  Letztlich führe kein Weg am Ausbau des Containerterminals vorbei, denn die Große Koalition habe eine „ganz klare alternativlose Vorgehensweise beschlossen.“[7] Scherf sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, den Hafenausbau „ohne Rücksicht auf die Zukunft des Dorfes“ zu betreiben und seiner politischen Verpflichtung nicht nachzukommen, „einen Ausgleich im Konflikt zwischen Hafen, Menschen und Natur zustande zu bringen.“[8] Der vierte Terminal wurde bekanntlich gebaut und ist seit 2008 voll in Betrieb. Die Bewohner von Weddewarden erreichten von politischer Seite durch ihre Aufmerksamkeit und Beharrlichkeit wenigstens eine „Bestandsgarantie“ des Ortes.

[1] Offener Brief der Bürgergemeinschaft Weddewarden BGW an den Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt Bremen Henning Scherf vom 7. April 2000.
[2] Fax der Bürgergemeinschaft Weddewarden (BGW) vom 12. April 2000 an den Präsidenten des Senats der   Freien Hansestadt Bremen Henning Scherf.
[3] Aus diesem Anlass war eine Festschrift herausgegeben worden mit dem Titel „Wat sy gedan, 900 Jahre Weddewarden/Imsum“.
[4] Nordsee-Zeitung vom 29.8.2000.
[5] A.a.O.
[6] Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung vom 3. September 2000.
[7] A.a.O.
[8] A.a.O.

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Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung vom 16. April 2000
Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung vom 3.September 2000 –
Jörg Schulz: Oberbürgermeister von Bremerhaven.

Am Abend der Eiswette waren Scherfs forsche Äußerungen im doppelten Sinn ein Schuss ins Schwarze. Und als er, der bekennende Anti-Alkoholiker, die Versammlung am Schluss seiner Rede mit den folgenden Sätzen ansprach: „Ich trinke ja keinen Alkohol, und ich habe bis jetzt auch noch keinen getrunken. Aber ich denke, am Schluss darf ich mit Ihnen mit Rotwein anstoßen auf die Selbstständigkeit der Freien Hansestadt, auf die freien Leute, die freien Menschen, die freien Unternehmer und natürlich auf die Eiswettgenossen!“ brach ein Jubel los, der in stehende Ovationen für den Redner überging. Holtgrefe resümierte: „Nur selten … sind sowohl Deutschland- und Bremen-Rede als auch der Gästeredner dermaßen gefeiert worden.“[1]

[1] Weser-Kurier 17.1.2000.

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Verkehrte Welt: Als Koschnick 1985 vor der Wahl gestanden hatte, Wedemeier oder Scherf als seinen Nachfolger vorzuschlagen, hatte er sich gegen Scherf entschieden, denn diesen hatte er „kennengelernt als fachlich kompetent, allerdings auch als cholerisch, und es war nicht immer klar, wohin der Weg ging. (…) Ich wollte einfach jemanden vorschlagen, der auch mit ruhiger fachlicher Kompetenz mit der Wirtschaft zusammenarbeiten kann. Und das war Klaus Wedemeier.“[1] Nun war es der besonnene Wedemeier gewesen, der den Eiswettgenossen die Stirn geboten hatte, als sie 1987 unter dem Motto „Bremen kaputt“ den vielen auswärtigen Gästen aus der Privatwirtschaft einen Senat „vorgeführt“ hatten, der angeblich alles tat, um auswärtigen Unternehmen das Investieren in die Bremer Wirtschaft schwer zu machen, während ihr jahrelanger „Intimfeind“ Scherf, kaum war er Präsident des Senats, mit fliegenden Fahnen zu ihnen übergelaufen war. Schon einmal hatte ein Bürgermeister die festliche Versammlung zu Ovationen hingerissen, als der sich, offensichtlich von der besonderen Atmosphäre der Veranstaltung animiert, von seinem harmlosen Manuskript gelöst und in freier Rede die Eiswettgenossen in direkter Ansprache begeistert hatte. Es war Hans Koschnick, der die Eiswettgenossen 1973 aufgefordert hatte, sich doch bitte frei zu ihrem Unternehmertum zu bekennen, denn wenn sie angegriffen würden, dann nur, weil sie zu feige wären, zu ihrem politischen Tun zu stehen. Das Extempore hatte ihm 1974 den vorläufigen Status des Eiswett-Novizen eingebracht.[2] Koschnicks Ausführungen waren, im Vergleich zu Scherfs vorbehaltloser Begeisterung, noch recht zurückhaltend gewesen, was seine Beziehung zu den Eiswettgenossen betraf. Insofern hätte es nahe gelegen, wenn im Jahr 2001 ein zweiter Bremer Bürgermeister auf der Novizen-Liste Platz gefunden hätte. Aber die langen Jahre der politischen Gegnerschaft hatten möglicherweise zu tiefe Spuren hinterlassen, wie Arnulf Baring in seiner Deutschland-Rede andeutete, als er Scherf direkt ansprach: „Es gab Zeiten, da hätte ich nie gedacht, dass Sie den Staatsmann in sich entwickeln würden.“[3] Offenbar wähnte sich der Redner im Rahmen der Eiswette auf exterritorialem Gebiet, dass er sich die Unhöflichkeit erlaubte, die Regierungsfähigkeit des anwesenden Bremer Bürgermeister in Zweifel zu ziehen. Seine kecke Aussage offenbart aber, dass Scherfs politische Wandlung in den politisch konservativen Kreisen des Landes nach vier Jahren Großer Koalition in Bremen angekommen war. Scherf nahm Baring das nicht übel.

[1] Zitiert bei Müller-Tupath, a.a.O., S.148/149.
[2] Vgl. Bremer Nachrichten 22.1.1973.Vgl. Kapitel 9 „Die Ära Koschnick – Gätjen.
[3] Weser-Kurier 17.1.2000.

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Er wandte sich seinerseits direkt an ihn: „… dass wir beide bei der gleichen Gelegenheit auftreten, das hätten wir uns vor Jahren auch nicht träumen lassen, aber ich finde es schön, dass wir auf diese Weise durch die lieben Bremer Eiswettgenossen zusammengeführt werden.“[1] Scherf wurde nicht auf die Novizenliste gesetzt.[2] Aber Eiswett-Reporter Holtgrefe[3] hatte noch eine besondere, wenn auch informelle, Ehre für Scherf parat:

Weser-Kurier 17.1.2001

Ein gewagtes Bild, das die realen Machtverhältnisse auf den Kopf stellte.

Scherf hatte in seiner Rede launig daran erinnert, dass er sich vor Jahren mit einem Schild „Elitäres Schau(fr)essen“ „vor den aufmarschierenden Eiswettgenossen aufgebaut“ und sie zum Punkendeich hinunter „begleitet“ hätte. Damals, sagte er, hätte er sich für seine heutige Rede auf der Eiswette „die Rote Karte verpasst.“ Was immer das heißen mochte, es war schon sehr lange her.

In den ersten zehn Jahren, als die Eiswette noch ganz auf Bremen ausgerichtet war, hatten – abgesehen von Kaisen – immerhin noch vier Bremer Senatoren Reden gehalten: Apelt (1949 und 1951), Nolting-Hauff (1956), Noltenius (1957) und Helmcken (1959). (Keiner von ihnen war übrigens Sozialdemokrat.) Als Präsident Borttscheller die Eiswette zu einer nationalen Veranstaltung gemacht hatte, wurde nur noch einmal ein Bremer Senator als Redner eingeladen.[4] So bleibt Scherf das einzige Senatsmitglied, das nach Koschnick 1981 eine Rede auf der Eiswette gehalten hat. Das hat sich bis 2020 nicht geändert.

[1] Scherf-Rede am 15.1.2000, a.a.O.
[2] Nach seiner Regierungszeit blieb er ihr – mit Ausnahme von 2006 – fern. Vgl. die Teilnehmerlisten.
[3] Das Wort von Heinz Holtgrefe hatte Gewicht, denn er war 26 Jahre lang (von 1985 bis 2010) journalistischer Dauergast auf den Eiswetten war und berichtete exklusiv für den Weser-Kurier.
[4] Karl Willms (SPD) 1960. Er war von 1979 bis 1983 Senator für Wirtschaft, Arbeit und Außenhandel.

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„Aber jetzt, meine Damen und Herren, zum Thema!“ Der denkwürdige Besuch von Bundeskanzler Schröder auf der Eiswette 2001

Die Große Koalition hatte den Boden bereitet, die fulminante Lobrede  Scherfs vom Vorjahr vermutlich den entscheidenden Anstoß dafür gegeben, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Eiswette ein SPD-Bundeskanzler eingeladen wurde.[1] Gerhard Schröder oblag es, vor 705 mittelständischen Kaufleuten und Freiberuflern die Deutschland-Rede zu halten. Auch sonst war es ein besonderes Jahr für die Eiswettgenossen. Die Welt adelte sie deutschlandweit, als sie ihren Lesern nicht nur die Namen der am 20. Januar anwesenden 228 Eiswettgenossen (mit einem Stern vor dem Namen), sondern auch die ihrer 477 Gäste in alphabetischer Reihenfolge über vier Seiten präsentierte, die Namen der achtzehn Präsidiumsmitglieder, des Sekretarius, der Jubilare, der Novizen, ja sogar der Verstorbenen. Radio Bremen hatte sich angesichts des hohen Gastes um eine Rundfunkübertragung bemüht, die zum ersten Mal nach der Ära von Eiswettpräsident Borttscheller gewährt wurde. Die Kanzler-Rede wurde direkt und in voller Länge auf Radio Bremen 2 übertragen.[2] Ausnahmsweise wurden auch zwei Rundfunk-Reporter im Festsaal zugelassen.[3] „Auch das Volk durfte zuhören“, bemerkte der ständige Berichterstatter des Weser-Kurier, Heinz Holtgrefe, mit feiner Ironie.[4]

Im dritten Jahr seiner Kanzlerschaft und als Bundesvorsitzender der SPD war Gerhard Schröder ohne Wahlkampfstress zur Eiswette gekommen, deren Einladung er, wie er später in seiner Rede versicherte, gerne gefolgt war, würde ihn die Mischung aus Selbstbewusstsein und Weltoffenheit in der Stadt doch angenehm berühren.

[1] 1990 war Bundeskanzler Kohl Gastredner. Willy Brandt war bei seiner Gästerede 1960 Bürgermeister der „Frontstadt“ Westberlin.
[2] Feature von Radio Bremen Zwei. Sondersendung „Eiswette live“ „Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder SPD auf dem 172. Eiswettfest in Bremen am 20.01.2001“. 47’39 Minuten. Die Paraphrasierungen und wörtlichen Zitate in diesem Kapitel sind alle diesem Feature entnommen, soweit sie nicht anders gekennzeichnet sind.
[3] Die Informationen zur Rundfunkübertragung hat der Verfasser einem E-Mail von Kai Schlüter an den Verfasser vom 29.10.2013 entnommen. Seit 1967 hatte das Präsidium Rundfunk-Live-Übertragungen und Mitschnitte im Allgemeinen abgelehnt. Ausnahmen gab es nur zu besonderen Anlässen, wie dem Scheibner-Auftritt 1989, dem Besuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1994, der 175-Jahr-Feier 2004 und dem Besuch von Bundesverteidigungsminister von Guttenberg 2010. Die Beiträge sind zwischen einer Minute und drei Minuten lang. Fernsehübertragungen oder -Mitschnitte waren nicht zugelassen.
[4] Weser-Kurier vom 21.1.2001.

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Aber sein Besuch sollte nicht nur der Entspannung dienen. Der Redner hatte Teile eines wirtschaftspolitischen Regierungsprogramms im Gepäck, von dem er wohl zu Recht annehmen durfte, dass es die ungeteilte Zustimmung seines Publikums finden würde.

Die Welt vom 22. Januar 2011;
Faksimile etwa ein Drittel der Originalgröße.

Alles deutete auf großes Einvernehmen mit den Eiswettgenossen hin, hätte da nicht eine Ankündigung des Kanzlers in letzter Minute für „große Aufregung“ gesorgt. Am Tag vor der Veranstaltung teilte sein Büro dem Präsidium mit, dass er „in Begleitung erscheinen werde und die Eiswette außerdem frühzeitig verlassen müsse, um bei den Damen im Park Hotel vorbeizugucken. (…) Um den Programmablauf nicht zu stören, galt es (…) einen geeigneten Zeitpunkt zu finden, an dem er die Gesellschaft verlassen konnte.“ [1] Seine Ehefrau Doris Schröder-Köpf sollte ihn nach Bremen begleiten. Am gleichen Vormittag war im Weser-Kurier ein Interview mit Eiswettpräsident Uwe Hollweg erschienen, in dem dieser auf die Frage, ob die Eiswette eines Tages auch Frauen als Genossinnen akzeptieren würde, geantwortet hatte: „Dafür sehe ich keine Chance.

[1] So berichtete es Alt-Prasident Hollweg zehn Jahre später in einem Gespräch mit Ilka Langkowski.in: Kreiszeitung/Syke vom 28.01.2011. In der Serie „Auf einen Espresso“ stellte die Zeitung eine der fünf großen Tageszeitungen Niedersachsens – Bremer Prominente vor. Für die Interviews sollten die Gesprächspartner einen Gegenstand mitbringen, der für sie von besonderer Bedeutung wäre. Hollweg brachte die bronzene Skulptur des Eiswette-Schneiders mit, die der Bremer Bildhauer Bernd Allenstein 1999 im Auftrag – sprich auf Kosten – eines Novizenjahrgangs hergestellt hatte. Vgl. Klaus Berthold, Bremer Kaufmannsfeste. Rituale, Gebräuche und Tischsitten der bremischen Kaufmannschaft, hrsg. Von der Handelskammer Bremen. Bremen, 2007, S.109.

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Wir werden auf Dauer ein Freundeskreis von Männern bleiben.“[1]  Hollweg konnte Schröder davon abbringen, mit Gattin anzureisen. „Einen Tag vorher kann man so etwas nicht machen.“[2] Auf der Eiswette am nächsten Tag teilte er in seinen einführenden Worten der Festversammlung mit, dass der Kanzler das Fest früher verlassen müsste, verriet aber nichts über dessen Gründe.

Schröder gelang es schnell, sein Publikum mit Komplimenten für die Bremer und ihren spezifischen Humor für sich einzunehmen. Er ging auf die stolze Bemerkung Hollwegs in dessen einführender Rede ein, dass sich mancher Bremer Kaufmann in Rio besser auskennte als in Syke. Er habe sich, sagte er, als ehemaliger niedersächsischer Ministerpräsident Gedanken gemacht, woran das wohl liegen mag und wäre zu der Erkenntnis gekommen, dass der in Rio vielleicht das gesucht hätte, was er in Syke nicht hat finden können. Der Witz und andere launige Bemerkungen kamen beim Publikum sehr gut an und die gute Stimmung erreichte früh einen Höhepunkt, als der Kanzler über die Eiswette sagte: „Es könnte sogar sein, dass (…) gerade solche Traditionen(…) für die Menschen immer wichtiger statt weniger wichtig werden. Bräuche wie diese (schaffen) auch ein Stück Zusammenhalt (…), Integration (…) in einer Stadt, in einem Land wie Bremen. (…) Diesen Aspekt (…) – der kulturellen Bindekraft wegen – (…) kann man gar nicht hoch genug einschätzen (…) Ich glaube (…) dass es Sinn macht, eine solche Tradition zu pflegen.“ In den folgenden Sätzen ging der Redner zu einer anderen Tonart über. Während sein Redefluss bis dahin – und auch in den späteren Teilen des Vortrags – zügig und kraftvoll daherkam, waren seine Worte jetzt zögerlich und leise, von „Ähs“ und „Hms“ unterbrochen: „Ich habe mir vorgenommen, im Anschluss daran,… bevor ich dann Bremen wieder verlassen muss, noch die Damen kurz zu besuchen (…) Ich will gerne hören, was die von dieser Tradition halten, wie sie hier gepflegt wird. Das gehört ja dann durchaus zusammen.“ Dann wandte er sich wieder in alter Lautstärke an die Zuhörenden mit den Worten:

[1] Interview mit Heinz Holtgrefe. Weser-Kurier vom 19.1.2001.
[2] Kreiszeitung/Syke 28.01.2011, a.a.O.

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„Aber jetzt, meine Damen (!) und Herren, zum Thema!“ Die Eiswettgenossen – vielleicht mit Ausnahme der vorgewarnten Präsidiumsmitglieder – hatten gar keine Zeit, über den verräterischen Versprecher zu erschrecken oder gar nachzudenken, weil der Gast seine Rede sofort und mit großem Elan fortsetzte.

Er hatte sie ganz auf eine mittelständische Kaufmannschaft zugeschnitten und rechnete mit einem kühl in Zahlen denkenden Publikum, das seinen genauen Angaben mit Wohlwollen begegnen würde. Er sprach über das am 1. Januar in Kraft getretene Steuersenkungsgesetz, das den Unternehmen spürbare Entlastung bringen würde mit der Begrenzung der Körperschaftssteuer auf 25% und mit der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer. Er rechnete das bis in Prozentränge vor und kündigte schließlich die geplante Senkung des Einkommens-Spitzensteuersatzes für 2005 von 53% auf 42% an.[1] Es ginge ihm aber nicht nur um die steuerliche Entlastung der Unternehmer, sondern vor allem um die Senkung der Lohnnebenkosten, also der Arbeitgeber-Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Knüller der Rede war die Ankündigung der sogenannten Riester-Rente.[2] Er nannte es eine Reform der sozialen Sicherungssysteme von der reinen „Umlagefinanzierung“ zu einer „teilweise individuell kapitalgedeckten Altersvorsorge“: Im Blick auf sein Publikum fügte er hinzu: „Banken und Versicherungen sind schon ganz heiß drauf.“ Als er den Versammelten auch noch erklärte, dass er die Etikettierung als „Genosse der Bosse“ nicht als schimpflich empfände, scholl ihm langanhaltender Beifall entgegen. Schröder sprach schließlich auch noch Eiswett-Präsident Hollweg persönlich an als einen der „großen Mittelständler“, für die seine Regierung eine zusätzliche steuerlich vorteilhafte Regelung vorgesehen hatte, die der Bundesrat ihm aber „leider nicht hätte durchgehen lassen.“

[1] Am 1. Januar 2005 trat die letzte Stufe der Steuerreform mit diesem Wert tatsächlich in Kraft.
[2] Am 11. Mai 2001 beschloss der Bundestag die Rentenreform, die eine Absenkung der Renten von 70% auf 67% bei 45jähriger Einzahlung ebenso vorsah, wie die kapitalgedeckte Altersvorsorge“, sprich die Riester-Rente. Am 22.02.2002 nahm die Hartz-Kommission ihre Arbeit auf.

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Die über vierzig Minuten frei vorgetragene Rede wurde über das Ende hinaus sehr freundlich aufgenommen. Nach dem traditionellen Absingen der Nationalhymne verließ Schröder ohne viel Aufhebens den Saal.[1] 

Was er auf der Eiswette vorgestellt hatte, war nichts anderes als die erste Stufe seines Programms zur Ankurbelung der Wirtschaft. Bekanntlich schlugen sich diese rein fiskalischen Maßnahmen noch nicht in dem erhofften Wirtschaftswachstum nieder. Aber der Kanzler ging den Weg konsequent weiter. Heute ist er eine Ikone der mittelständischen Wirtschaft, wenn man Hannes Hesse folgt, der als Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA 2015 sagte[2], dass 2003 allen in der Branche bei der Vorstellung der Agenda klar gewesen wäre: „Das war eine Bombe, die Schröder da gezündet hat.“ „Schröder ist ohne Frage der Vater des Aufschwungs, den wir jetzt haben.“ Hartz-Programme, Erleichterungen der Zeitarbeit und der Minijobs „sind entscheidende Faktoren gewesen. … Ein sozialdemokratischer Bundeskanzler war bereit, sich nach vorne zu bewegen – das war klasse für die Firmen.“[3]

Der Kanzler verließ die Veranstaltung nach zweieinhalb Stunden und begab sich anschließend ins Park-Hotel, wo ihn eine unangenehme Überraschung erwartete. Alt-Präsident Hollweg erzählte zehn Jahre später, wie es weitergegangen war: „Das Pech für Schröder war, dass (…) der Beginn der Veranstaltung im Park Hotel erst deutlich später begann.“ So hat er „erstmal mehr oder minder allein im Foyer gesessen.“[4] Man hätte dem Bundeskanzler diese Unannehmlichkeit durch einen entsprechenden Hinweis ersparen können, aber man unterließ es offenbar, um ein Zeichen zu setzten gegen das Aufbrechen des Frauen-Tabus. 

[1] Der Weser-Kurier titelte am 21.1.: „Kanzler lobte Bremen und warb für rot-grüne Reformen. Beifall für seine Deutschland- und Bremen-Rede. Tadel für seinen frühen Abschied.“ Ralf Borttscheller, Sohn des langjährigen Eiswett-Präsidenten, Bremer Innensenator a.D., „bemerkte spitz, zwei Stunden und 32 Minuten waren bislang Rekord im frühen Fortgehen.“ Am nächsten Tag titelte die Zeitung: „Schröders Abgang kam bei den Genossen nicht gut an.
[2] Der Maschinenbau ist mit einer Million Beschäftigten in 6000 Betrieben der größte Industriezweig Deutschlands. Hesse übte diese Funktion bis zum 2. Februar 2015 aus.
[3] Unter dem Titel „Industrie ist Schröder noch heute dankbar“ fasste der Weser-Kurier am    5.Januar 2015 ein Interview zusammen, das der Berliner Tagesspiegel mit Hesse geführt hatte.
[4] Hollweg in Kreiszeitung/Syke am 28.01.2011, a.a.O.

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Schneider und Alt-Präsident Uwe Hollweg teilen sich ein Büro. © Foto: Ilka Langkowski

Was Schröder dann an der Bar des Hotels hörte, wo er später doch noch mit einigen Eiswette-Damen ins Gespräch kam, dürfte seine Enttäuschung an diesem Abend vollendet haben, denn die fanden – glaubwürdigen Berichten zufolge – ihre Abwesenheit von der Herrenrunde völlig in Ordnung. Der Kanzler ließ es dabei bewenden.

„Angeblich“, hatte Holtgrefe im Weser-Kurier geschrieben, sei der Abstecher zu den Eiswette-Damen „ein Seitenhieb gegen die reine Männergesellschaft im CCB (Congress Centrum Bremen)“ gewesen.[1] Die Einschränkung in dieser Aussage hat insofern eine gewisse Berechtigung, als der Kanzler das nicht ausdrücklich so etikettiert hatte. Aber er bleibt der einzige Redner in der Geschichte der Eiswette, der es gewagt hat, das Frauen-Thema anzusprechen. Die Eiswettgenossen kreideten ihm die Verletzung einer weiteren ehernen „Eiswette-Sitte“ an: „Er rauchte  v o r (Sperrung vom Verf.) dem Hauptgang, und zwar die kubanische Cohiba-Zigarre, die Eiswett-Präsident Uwe Hollweg eigens für seinen hohen Gast eingesteckt hatte.“[2]

[1] Weser-Kurier 21.01.2001.
[2] Heinz Holtgrefe, a.a.O.

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In der Eiswette-Chronik von Karl Löbe erfahren wir, warum ihm die Eiswettgenossen das nicht verzeihen konnten: „Es erfüllt die sensible Präsidentenbrust mit kaltem Entsetzen, wenn vor der Rauch- und Pinkelpause irgendwo an einem Tisch feiner blauer Rauch emporsteigt. Das ist ein schwerer Fauxpas gegen die Disziplin. Da der betreffende Sünder von fernher schwer ermittelt werden kann, das Rufen seines Namens auch gegen den angeborenen Takt der Eiswette verstoßen würde, … belegt der Präsident zweckmäßigerweise … den ganzen Tisch mit einer Geldstrafe. Der Tischälteste steht kurz vor der Entmündigung.“ [1] Dieses Problem hätte Schröder auf den inzwischen rauchfreien Eiswetten nicht mehr.

Der Inhalt seiner Rede ist – soweit es in schriftlich Niedergelegtem erkennbar ist – dem kollektiven Gedächtnis der Eiswettgenossen abhandengekommen. Im „offiziellen“ Eiswettbuch beschränkt sich die Würdigung seines Besuchs auf diese Sätze: „In Hollwegs Amtszeit kam es zu dem denk- und merkwürdigen Auftritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der als Deutschland- und Bremen-Redner gewonnen worden war und das Eiswett-Fest gegen jede Regel vorzeitig verließ, nicht etwa aus dienstlichen Gründen, was man hätte verstehen können, sondern um sich zu den Eiswett-Damen ins Park-Hotel kutschieren zu lassen. Die Eiswett-Genossen schütteln noch heute die Köpfe.“ [2] Schröder hat „sich stets den Abstand zum Establishment bewahrt, zu den Anstandsregeln der herrschenden Klasse“, heißt es in einem SPIEGEL-Artikel über ihn.[3] Wenn das stimmt, ist er diesem Prinzip auch auf der Eiswette treu geblieben. Ob das negative Urteil der Eiswettgenossen Bestand haben wird, da die Eiswettgenossen inzwischen ja Frauen auf ihre Feiern einladen, bleibt abzuwarten. Es nimmt aber nicht wunder, dass der Alt-Kanzler sein Gastspiel auf der Eiswette aus dem Gedächtnis gestrichen hat. [4] 

[1] Löbe, a.a.O., S.99. Die ca. fünfzig Tischältesten sind für die Einhaltung der Tischordnung und für die Respektierung der Rituale an ihrem Tisch zuständig. Viele Jahre hörten sie sich die Reden stehend an, um an ihrem Tisch für Aufmerksamkeit zu sorgen. In Anbetracht ihres zunehmenden Alters hat man davon inzwischen Abstand genommen.
[2] Hermann Gutmann, Jochen Mönch. Die Eiswette von 1829. Ein Bremer Fest – Geschichte und Geschichten. Es ist vom Präsidium der Eiswette herausgegeben. Bremen 2010, S. 58.
[3] So die SPIEGEL-Journalisten Marc Hujer und Horand Knaup in ihrem Artikel „Der gute Populist“ in SPIEGEL 1/2017, S.48 bis 50.
[4] „Herr Schröder bittet um Verständnis, dass seine Erinnerungen an den Besuch bei der Eiswette-Veranstaltung vor 12 Jahren zwischenzeitlich verblasst sind.“ Antwortbrief aus seinem Büro auf eine Anfrage des Verfassers am 21.8.2013.

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Scherf lädt Putin zweimal zur Eiswette ein[1]

Seit die Reden auf der Eiswette vorher vergeben werden, also seit 1924, ist es eine der vornehmsten Aufgaben des Präsidiums, die Redner auszuwählen und einzuladen. Mit Scherf war alles anders. Er war es, der im Sommer 2001 und im Frühjahr 2005 als Bürgermeister die Initiative für einen Staatsbesuch auf der Eiswette ergriff. Es ging um den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin. Der politischen Vita Scherfs entsprechend, hätte man die Einladung des ehemaligen russischen Präsidenten Michael Gorbatschow erwarten können, der entscheidend zum Ende des Kalten Krieges und zur atomaren Abrüstung beigetragen hatte und der auch nach seiner Amtszeit vielfältig in diesem Sinne tätig geblieben war.Nichts verdeutlicht mehr den Paradigmenwechsel, den Scherf in seiner politischen Karriere vorgenommen hatte.

[1] Die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf die in der Senatsregistratur in zwei Ordnern „Eiswette“ gesammelten Dokumente unter den Registratur-Nummern  56, 107, I und II.

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2001

Die persönliche Einladung des russischen Präsidenten auf die Eiswette von Bremen durch den Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt war nach traditionellen diplomatischen Gepflogenheiten schwer vorstellbar. Es galt, einen Vermittler zu finden. Scherf fand ihn im wissenschaftlichen Leiter der „Forschungsstelle Osteuropa“ an der Universität Bremen, dem Historiker Wolfgang Eichwede, einem Spezialisten der deutsch-russischen Beziehungen. Er hatte in den neunziger Jahren an den „Beutekunstgesprächen“ in gemischten Regierungskommissionen teilgenommen und kannte, auch durch häufige Aufenthalte, zahlreiche russische Kulturwissenschaftler und Kulturpolitiker persönlich. Zu Scherf hatte er eine freundschaftliche Beziehung. An ihn wandte sich der Bürgermeister im Sommer 2001 mit der Bitte um Vermittlung. Das geht aus einem Brief hervor, den Eichwede am 22. August 2001an Scherf geschrieben hatte. [1] Darin berichtete er, dass er sogleich mündlichen Kontakt zum russischen Kulturministerium und zur Leitung der Nachrichtenagentur ITARTASS aufgenommen und außerdem – „da beide gute Drähte in die Präsidialkanzlei besitzen“ – noch einen Brief an den russischen Kulturminister geschrieben habe, „in dem ich unser Anliegen noch einmal ausführlich erläuterte.“ Die Antwort ergab, dass die Annahme der Einladung „unter den gegebenen Bedingungen sehr unwahrscheinlich“ sei. Scherf solle, so die russische Seite, „vielleicht mit einer Rückendeckung durch den Kanzler“ versuchen, Putin „direkt und außerhalb der protokollarischen Wege“ einzuladen. Eichwedes Fazit war, dass eine Einladung zur Eiswette am 19. Januar 2002 „nur geringe Erfolgsaussichten“ habe. Es blieb zunächst bei diesem Versuch.
Diese Einladung hatte insofern noch eine besondere politische Pointe, als Scherf am 25. November 2000, also gut ein halbes Jahr vorher, im Bremer Rathaus der russischen Menschenrechtlerin Jelena Bonner, 77jährige Witwe des Bürgerrechtlers Andrej Sacharow, den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken überreicht hatte, weil sie „zu den prominentesten Verteidigern der Menschenrechte in der Sowjetunion gehörte.“[2] Die Jury hob in ihrer Begründung hervor, dass Bonner zu den wenigen russischen Stimmen zählte, die auch die aktuelle Politik ihres Landes kritisieren: „Die Preisträgerin stehe stellvertretend für die kritische Minderheit in Russland, die sich der erzwungenen oder freiwilligen Gleichschaltung der öffentlichen Meinung unterwirft.“[3] Sie hatte in einer Rede in Bremen gesagt: „Die größte Lüge ist, dass Russland ein demokratischer Staat ist. Wir leben noch heute in einem Staat der totalen Lüge.“[4]

[1] Senatsregistratur a.a.O.
[2] Pressemitteilung der Bremer Senatskanzlei vom 15.11.2000.
[3] DIE WELT vom 23.11.2000.
[4] Zitiert bei Henning Bleyl, „Freundschaft mit Putin“. Artikel in TAZ/Nord vom 9.03.2014.

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2005                                                                  

Als Scherf im Frühjahr 2005 einen neuen Anlauf unternahm, hatte er sich schon „seit Jahren vergebens bemüht“, Putin „beim Haus Seefahrt und verschiedenen Schaffern“ einzuladen.[1]. Was ihn dazu ermutigt hatte, es noch einmal zu versuchen, erschließt sich aus den Akten nicht. Möglicherweise war es die Gemeinsame Erklärung über die strategische Partnerschaft auf dem Gebiet der Bildung, Forschung und Innovation zwischen beiden Ländern vom 11. April 2005; vielleicht waren es die deutsch-russischen Konsultationen im Dezember 2004, als Putin in Hamburg war und den Bundeskanzler traf. Am wahrscheinlichsten ist, dass er sich persönliche Unterstützung durch den Bundeskanzler versprach, der mit Putin in einer Männerfreundschaft verbunden war, die sich seit Jahren vor der Weltöffentlichkeit entwickelt hatte. Auf jeden Fall wollte Scherf, wenn er ein „positives Signal“ aus Russland bekäme, die Einladung „über Kanzler Schröder auf den Weg bringen.“ Das Präsidium der Eiswette hatte für die russische Seite einige Informationen über die Feier zusammengestellt, die dem Generalkonsulat zugestellt werden sollten, u.a.: Auszüge aus der Jubiläumsschrift 175 Jahre Eiswette, eine Übersicht der Gästeredner seit 1967, die Festfolge der letztjährigen Eiswette und die Bremen- und Deutschlandrede von Bundespräsident Herzog auf der Eiswette von 1998. Die Übersendung dieser Rede lehnte die Senatskanzlei mit der Begründung ab, sie sei „evtl. kontraproduktiv“.

[1] „Betr: Einladung an den Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin als Gästeredner für die Eiswette-Feier am 21.01.2006“ Schreiben der Senatskanzlei vom 23.05.2005. Senatsregistratur a.a.O. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf diese Quelle, bzw. zitieren sie, soweit nichts anderes angegeben ist.

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Exkurs: Rede von Bundespräsident Roman Herzog auf der Eiswette 1998“[1] (Zusammenfassung) 

So wie sich die Wirtschaftsstruktur Deutschlands differenziert und flexibilisiert, gibt es auch in der Gesellschaft eine Entwicklung zur Differenzierung und Individualisierung. Einheitlichkeit wird immer mehr durch Vielfalt abgelöst. Alte traditionelle Gemeinschaften lösen sich auf. Selbst die Begriffe Staat und Nation verändern im Zeitalter der Globalisierung ihre Bedeutungen. Die traditionellen Gemeinschaftsformen treten in einen Wettbewerb mit neu entstehenden, der sie zwingt, sich mit Reformen und neuen Angeboten wieder attraktiver zu machen. Überall in unserem Land wirken kleinräumige Netzwerke: u.a. Selbstverwaltungs- oder Jugendgruppen, lokale Umweltbewegungen. Ohne dass es dafür gesetzlicher Regelungen bedürfen, funktionieren solidarisches Miteinander, gesellschaftliches Engagement ebenso wie soziale Kontrollmechanismen. Hier werden die Bedürfnisse des Menschen nach Lebenssinn und Lebenserfüllung, nach selbstbestimmtem Handeln und nach Anerkennung durch andere gleichermaßen befriedigt. Die Leute wollen sich nicht mehr vorschreiben lassen, in welche Gemeinschaften man sich zu integrieren hat. Die politischen und demokratischen Instanzen sind heute mehr denn je gefordert, die Akzeptanz, das Vertrauen und die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger immer wieder aufs neue zu gewinnen. Es gibt viele demokratische Spielfelder, die um Mitspieler und Loyalitäten werben. Die Menschen wollen schon gar nicht bevormundet werden. Deshalb hat der Staat die Aufgabe, Strukturen entstehen zu lassen, die den einzelnen zur Eigenverantwortung befähigen und ihn dazu auch anreizen. Mit der Stärkung der individuellen Verantwortung ist der Rückzug des Staates aus vielen bisher zentral und bürokratisch geregelten Bereiche verbunden. Der Wandel, den uns ein durch Globalisierung bestimmtes Zeitalter beschert, verlangt viele Neuanfänge. Bewegungslosigkeit hat keine Chance. Ein starres Festhalten an Überkommenem richtet letztlich mehr Schaden an als es abwendet. Stellen wir uns also dem Wandel ohne Verzagtheit. Nicht Mauertaktik führt zum Sieg, sondern nur ein Prinzip, das den Bremer Fußball einst unschlagbar machte: die „kontrollierte Offensive.“                                                                      

[1] „Tradition und Wandel – neue Formen der Zivilgesellschaft“. Rede auf der Eiswette in Bremen am 17. Januar 1998. Bulletin der Bundesregierung 07-98 vom 27. Januar 1998. www.bundesregierung.de

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Es ist fraglich, ob Schröder ein wirklich überzeugender Vermittler für den Besuch auf der Eiswette sein konnte, hatte er doch wegen seines unkonventionellen Auftretens seinerzeit schlechte Noten bei den Eiswettgenossen erhalten. Aber jetzt ging es nicht um verletzte Etikette oder Eitelkeiten, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen, und da lagen Schröder und Scherf, zumindest was die Beziehungen zu Russland anging, auf einer Linie. Die Eiswette, hieß es im Schreiben der Kanzlei, hätte sich neben der Schaffermahlzeit „besonders in Wirtschaftskreisen überregional zunehmend behauptet.“ Mit Blick auf die „Bremer Russlandinteressen“ sei eine Einladung eine „hochkarätige Gelegenheit“. Ausdrücklich wurden EUROGATE[1] und die Baldinsammlung[2] erwähnt. Scherf konnte mit der Unterstützung Schröders rechnen, zumal ihr Verhältnis von gegenseitigem Respekt getragen war.[3]

7. Mai 7.2003 – knapp drei Wochen vor den Wahlen in Bremen – Bundeskanzler Schröder und Bürgermeister Scherf bei Airbus-Bremen / Foto: Michael Schnelle, LIS Bremen

[1] Die Eurogate GmbH & Co. KGaA, KG ist Europas größte reederei-unabhängige Container-Terminal- und Logistik-Gruppe mit Sitz in Bremen. Eurogate betreibt Terminals in Deutschland (Bremerhaven, Hamburg undWilhelmshaven), Italien (La Spezia, Ravenna, Salerno, Gioia Tauro und Cagliari), Russland (Ust-Luga), Portugal (Lissabon) und Marokko (Tanger). An den Terminals in Russland, Portugal und Marokko ist Eurogate nur Minderheitseigner.
[2] „Der sowjetische Offizier Viktor Baldin entdeckte 1945 im Keller des brandenburgischen Schlosses Karnzow die ausgelagerten Kunstwerke aus Bremen. Um sie vor der Zerstörung zu schützen, packte er die Zeichnungen von Rembrandt, Tizian, Rubens, Goya, Vincent van Gogh und Édouard Manet in einen Koffer (…) 1995 wurde die mittlerweile nach ihm benannte Sammlung in der Eremitage in St. Petersburg gezeigt. Im Februar 2003 hat der damalige russische Kulturminister, nach einem förmlichen Antrag des Kunstvereins im Jahre 2000, eine schriftliche Rückgabe-Zusage gegeben. Die Duma hat aber bisher (…) eine Rückgabe verweigert. Aus: Wikipedia Stichwort „Kunsthalle Bremen“ vom 26.10.2019.
[3] Das zeigte sich nach dem überragenden Wahlsieg Scherfs bei den Landtagswahlen 2003, als Schröder ihm freie Hand bei der Auswahl seines Koalitionspartners gelassen hatte, obwohl seine Regierung damit auf die mögliche Mehrheit im Bundesrat verzichtete.

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Scherf wurde in seinem Einladungsschreiben vom 23. Mai 2005,[1] das an den russischen Botschafter in Berlin ging, sehr deutlich, was die gemeinsamen Wirtschaftsinteressen anging. Im Mittelpunkt der Eiswette stünde die Teilnahme von nationalen und internationalen Vertretern aus der Wirtschaft. „Die Exklusivität dieses Herrenmahls ist vielfach Ausgangspunkt für internationale Geschäftsbeziehungen gewesen“, schrieb er. Eine Teilnahme Putins „an der Eiswette und damit als Redner auf Deutschland und die Freie Hansestadt Bremen“ wäre eine wunderbare Botschaft für den Export- und Logistikstandort Deutschland.“ Er lobte das besondere Flair der Veranstaltung, den Mix aus „etlichen unterhaltsamen und launigen Veranstaltungen“ im Rahmen einer traditionellen, exklusiven Herrenrunde und Wirtschaftsinteressen.

Auch dieses Mal war Eichwede in den Prozess der Einladung involviert. „Er möchte von einer Einladung an Putin eigentlich eher abraten“, wurde er – ohne Begründung – im Schreiben der Senatskanzlei zitiert. Drei Tage später, am 26. Mai, war daneben am Rand handschriftlich nachgetragen: „Nach Telefonat mit E sollte der (recht harm- und wohl auch wirkungslose) Brief jetzt rausgehen“[2]. Warum es letztlich nicht zu dem Besuch kam, lässt sich nur vermuten. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass Putin die Preisverleihung an die russische Bürgerrechtlerin Jelena Bonner im Bremer Rathaus nicht vergessen hatte.

Epilog  

Just an dem Tag, als Scherf seine Einladung auf den Weg brachte, erschien in der Süddeutschen Zeitung die Rezension des Buches der russisch-amerikanischen Reporterin und Aktivistin für Menschenrechte Anna Politkovskaja „In Putins Russland“ [3], in der sie unter anderem „die Verfilzung von organisiertem Verbrechen, Polizei und Justiz“ beklagte und „die Schaffung einer Atmosphäre der Angst, in der kritischer Journalismus verkümmert.“ In ihrem Vorwort zur deutschen Ausgabe kritisierte sie die deutsche Wirtschaft, die den russischen Präsidenten vor allem deswegen „nach Kräften hofiert“, damit „Erdöl und Erdgas weiter flössen.“[4]

[1] Schreiben an S.E. Botschafter Vladimir V. Kotenev vom 23. Mai 2005. Einladung zur Eiswette vom 21. Januar 2006.Senatsregistratur a.a.O.
[2] Der Journalist Henning Bleyl berichtet in der Taz/Nord vom 9.03.2014, dass die mögliche Anwesenheit Putins auf der Schaffermahlzeit 2003 Eichwede zu einer Erklärung an die Veranstalter bewogen hätte, dass er für den Tag von Putins Anwesenheit einen internationalen Kongress russischer Menschenrechtler in Bremen organisieren würde. „Diese Drohung hatte Substanz: Kaum irgendwo sonst gibt es derart gute Kontakte zu den Vertretern der russischen Zivilgesellschaft wie in Bremen.“ Eichwede, schreibt er, hat „Bremen in jahrzehntelanger Arbeit zum Zentrum der Smisdat-Forschung gemacht, der Beschäftigung mit den illegalen Publikationen der oppositionellen Intellektueellen“ in Russland.“ Die OSZE hatte die Wahlen in Russland im Jahr 2003 als Farce bezeichnet, weil Putin „alle Konkurrenten seines Favoriten Kadyrow zum Verzicht auf eine Kandidatur gezwungen (hatte).“
[3] Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006, dem Geburtstag Putins, im Fahrstuhl ihres Wohnhauses in Moskau mit mehreren Pistolenschüssen ermordet. Die Tat erregte weltweit Aufsehen und führte zu heftigen Anklagen gegen das Regime Putins. 
[4] Anna Politkovskaja, In Putins Russland. Köln 2005. Zitate aus der Rezension von Hannes Adomeit, Süddeutsche Zeitung vom 23.5.2005.

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